SPÖ Graz fordert Kinderbetreuung neu denken - Neuorientierung auf Basis der Lebensrealität

Anfrage

gemäß § 16 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat
von Frau Gemeinderätin Mag.a Susanne Bauer
an Herrn Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl
in der Sitzung des Gemeinderates
vom 29. April 2021

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Die Kinderbetreuung ist nach wie vor ein Thema, das viele Eltern bewegt: Finde ich überhaupt einen Betreuungsplatz und wo? Welche, vornehm ausgedrückt, „Netzwerke“ gilt es zu aktivieren, um einen Platz zu ergattern, wen muss man als Fürsprecher/als Fürsprecherin aktivieren? Das und vieles mehr beschäftigt sehr viele Eltern ab der Geburt ihres Kindes – und diese Sorgen kommen nicht von ungefähr.

Dass es nach wie vor zu wenige Krippenplätze für die bis Dreijährigen gibt, wird wohl niemand bestreiten: In diesem Bereich gibt es enormen Nachholbedarf. Etwas anders sieht es bei den Kindergartenplätzen aus: Prinzipiell wäre der Deckungsgrad in diesem Bereich durchaus gut – die Probleme vieler Eltern resultieren aber daraus, dass Plätze fernab der Wohnung und nicht auf dem Weg zur Arbeit angeboten werden oder die Öffnungszeiten nicht den Erfordernissen entsprechen. Für Alleinerziehende, die in Algersdorf wohnen und in Andritz arbeiten, ist ein Kindergartenplatz in St. Peter nicht wirklich hilfreich. Und der Kassiererin an der Supermarktkasse ist nicht geholfen, wenn der Kindergarten um 17 Uhr oder gar noch früher zusperrt.

  • Was es also braucht, sind zum einen flexiblere Öffnungszeiten – als eine Antwort auf die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, zumal bekanntlich ja auch die Zahl der Alleinerziehenden steigt.
  • Ebenso erforderlich: Überlegungen, wie Menschen im Home Office in Sachen Kinderbetreuung entlastet werden können – da gibt es etwa in Deutschland bereits erste Ansätze, für ältere Kinder teilweise sogar die digitalen Medien zu nutzen.
  • Auch ein weiterer Ansatz, der in Deutschland jetzt verstärkt gesetzt wird, könnte für Österreich in Frage kommen: Eine massive Forcierung von Betriebskindergärten durch den Bund. Wobei in diesem Zusammenhang etwa auch „Verbund-Betriebskindergärten“ als gemeinsame Initiative mehrerer Unternehmen verstärkt angedacht werden könnten, etwa für den Innenstadthandel, als gemeinsame Initiative mehrerer kleinerer und mittlerer Unternehmen. Betriebskindergärten hätten nämlich gleich zwei Vorteile zu bieten: Es gibt für die Eltern, sprich Beschäftigten, keine „Umwege“ zwischen Wohnung und Arbeit, und auch der Hauptwohnsitz ist bei einem Betriebskindergarten kein Aufnahmekriterium.
  • Und noch etwas gilt es aufzubrechen: Die Berufstätigkeit der Eltern darf kein Kriterium mehr für die Aufnahme in eine Kinderbetreuung sein. Oder anders ausgedrückt: Es gilt dringendst die Negativspirale zu durchbrechen, wonach man ohne Job kaum oder gar keinen Kindergartenplatz für den Nachwuchs bekommt, aber gleichzeitig ohne Betreuungsplatz auch keine Arbeitsstelle gefunden werden kann. Diesen Negativkreislauf muss nicht zuletzt in Hinblick auf geänderte Familienstrukturen ebenso wie die stetig steigenden Lebenshaltungskosten und die drohende Verarmung bzw. dann spätere Altersarmut aufgrund der erzwungenen Teilzeitfalle unterbrochen werden.

 

Wobei es insgesamt eine existentielle Notwendigkeit ist, nicht nur für wirklich ausreichend Kinderbetreuungsplätze für alle zu sorgen, die diese wollen und brauchen, sondern diese auch mit jener Qualität zu versehen, die ebenso den pädagogischen Anforderungen und Notwendigkeiten wie auch den gesellschaftlichen Entwicklungen und aktuellen Lebensrealitäten entspricht: Für die Fragen der Gegenwart und Zukunft reichen nicht Antworten aus der Vergangenheit – es gilt, die Kinderbetreuung insgesamt neu zu denken, den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, sie den Bedürfnissen von Kindern und Eltern anzupassen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, da sind Bund, Länder, Städte, Gemeinden und die Träger gefordert, da sind alle wichtigen sogenannten Stakeholder an Bord zu holen: Von ExpertInnen aus der Elementarpädagogik über VertreterInnen von AK, IV, ÖGB und WK bis hin zu SozialpädagogInnen und ElternvertreterInnen.

Namens der sozialdemokratischen Gemeinderatsfraktion stelle ich daher an Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, die
Anfrage,

ob Sie bereit sind, über den Städtebund einen solchen Prozess „Kinderbetreuung neu denken“ gemäß Motivenbericht zu initiieren.