In Sachen SLÖ Graz:
Seit nahezu einem Jahr hält die Covid Pandemie die Bildungsdiskussion fest im Griff. Der Diskurs beschränkt sich darauf, auf unkoordinierte Aktionen zu setzen.
Die schwarz/türkisen Lehrer*innen-Gewerkschafter verkündeten in den Medien (Standard, 16.1.21), dass viele Lehrer*innen Probleme in der Kommunikation mit den Behörden sehen. Die Bildungsdirektion bewegt sich ja auch nicht aus ihrer Schockstarre heraus. Es scheint, dass sie viel mehr damit beschäftigt ist, alle Führungspositionen umzufärben und mit Gesinnungsfreunden zu besetzen, deren einzige Qualifikation darin besteht, ein türkises Fähnchen zu schwingen. An der Lösung von Problemen und der Einrichtung von vernünftigen Kommunikationsstrukturen scheint nicht gearbeitet zu werden. Reformen zu einem modernen Bildungssystem sind in weite Ferne gerückt. Schule als Ort des Neuen, als Ort von neuen Erfahrungen verkommt zu einem Ort der Rückständigkeit und einer einbetonierten Pädagogik und Didaktik. Schulen mit längst überfälliger Technik auszustatten ist nicht innovativ, dieses ständige Hinterherhinken ist der vormaligen Verhinderungspolitik in der großen Koalition geschuldet.
Ein Schulsystem aus dem 18. Jahrhundert ist nicht kompatibel mit moderner Technik und deren Anwendung. Der PC verkommt da zu einem Instrument der Segregation – gute Technik ist nach wie vor mit hohen Kosten verbunden, die nicht alle Familien von Schüler*innen tragen können, da ist es die Aufgabe der Gemeinschaft, für gerechte Bildungsvoraussetzungen zu sorgen.
Der Lockdown hat uns die Mängel unserer antiquierten Pädagogik und Didaktik, die systembedingt ist, aufgezeigt, in dem wir gezwungen waren, vermeintlich neue Wege des Unterrichts zu finden. Ideen wie schülerzentrierter Unterricht, eigenverantwortliches Lernen und Kompetenzorientierung im Unterricht, die eines konstruktivistischen Lernansatzes bedürfen, wurden durch die Bildungsforschung bereits längst als effizienter Weg zur gerechten Bildung bewiesen.
Längst überfällige und bereits unzählige Male vorbereitete Reformen der Leistungsfeststellung, der modularen Oberstufe - der neue Entwurf zeigt nur ein Rückentwicklung zum vorherigen intransparenten und von Willkür geleiteten Kommunikationssystemen zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen - von neuen Lehrplänen und Unterstützungssysteme werden verschleppt oder zurückentwickelt, weil sie von den anderen Gesinnungsgenossen entwickelt wurden, oder einfach übersehen, weil sie nicht dem gesellschaftlichen Klassensystem entsprechen.
Ressourcen für individuelle Betreuung in den Mittelschulen und Volksschulen werden leise gekürzt und umverteilt, und das weder zu Gunsten der Schüler*innen noch der Expertisen an den Standorten.
Unsere inklusive Gesellschaft wird nicht im Schulsystem abgebildet, durch viel zu frühe Segregation unserer Kinder, durch ein nicht transparentes Notensystem, das der Willkür wieder Tür und Tor öffnet. Ziel kann nur eine gemeinsame Schule für alle sein, die unsere inklusive Gesellschaft abbildet und der modernen Bildungsforschung entspricht. Die Aufzählung der Baustellen würde sich noch unendlich weiterführen lassen
Es muss hier auch Platz für positive Dinge sein
Folgende Dinge haben sich durch die Corona-Krise zum Positiven geändert und sollten erhalten bleiben:
- In allen WCs und Klassen gibt es Seife und Papierhandtücher (endlose Diskussionen darüber gehören hoffentlich der Vergangenheit an)
- Die Kinder sehnen sich nach der Schule
- Die Eltern bringen den Lehrer*innen große Wertschätzung entgegen
- Digitale Medien haben in die Schule Einzug gehalten
Bei Kindern nachgefragt
- Am Anfang war es lustig, zuhause mit Mama oder Papa die Aufgaben zu erledigen. Jetzt vermisse ich aber meine Freunde schon sehr. Ich freue mich darauf, mit meinen Klassenkameraden bald wieder zusammen zu sein und in der Pause Fußball zu spielen.
- Zuhause verstehe ich die Aufgaben nicht immer, meine Mama ist beim Erklären nicht so geduldig wie meine Lehrerin. Lieber lerne ich in der Schule gemeinsam mit meinen Freundinnen.
- Ich bin immer in der Betreuung, leider dürfen wir schon länger nicht turnen oder einen Ausflug machen. Normalerweise gehen wir auch oft ins Theater, hoffentlich können wir das bald wieder machen.
- Das Blöde am Lockdown ist, dass ich meine Freunde nicht treffen kann. Normalerweise spielen wir in der Pause Lego oder am Nachmittag gemeinsam im Hof. Geburtstagspartys hat es auch schon lange keine mehr gegeben. Auf die freue ich mich schon wieder.
- Ich liebe Schule, auch wenn manchmal viele Sachen zu machen sind. Meine Lehrerin ist immer so lustig und singt immer mit uns. Wegen des Virus darf ich jetzt auch nicht zum Chor. Hoffentlich ist der Lockdown bald vorbei.
Ein weiteres positives und damit motivierendes Beispiel soll hier erwähnt werden
Schoolerando©, die neue Art zu Lernen
aus der TV Werbung…
“was lernen wir heute, Schoolerando© hat alles, Lernpakete, Telefon, Mathe, Deutsch, Werken, eMails, hat alles, worauf du Lernlust hast, oder deinen Favoriten, probier was Neues, es ist Zeit für Schoolerando©, telebiking“!!!
Ob Dienstrecht alt oder neu, ob pragmatisiert oder nicht, die Pädagog*innen haben nicht nur personalisiertes Lernen gelöst, sondern auch ganz persönliche Zugänge zum Lernen gefunden, was die Erreichbarkeit der Kinder anlangt. Das steht in keinem Dienstvertrag und die Würdigung der Behörden ist wenig ausgeprägt.
Teilweise wurden total kreative Lösungen gefunden, damit jedes Kind erreicht werden konnte. In diesem Zusammenhang wurde auch das Lernpaketzustellservice „Schoolerando©“ gegründet. Pädagog*innen radelten quer durch die Stadt, suchten mit Googleearth Adressen, klingelten sich durch fünf Stockwerke, überbrachten noch „kopierwarm“ die entsprechend personalisierten Lernpakete und holten die bereits bearbeiteten Lernaufträge und -produkte wieder ab. Dienstweg und Zeitaufwand waren keine Frage, war doch auch der Konditionsgewinn ein positives Nebenprodukt. 😊 Sozialdemokratische Pädagog*innen sind halt trainiert! Ja..eh die anderen auch…!
Ein weiterer positiver Effekt ist, dass jetzt von jedem Kind die “Erreichbarkeitsslots” - ob zeitlich oder technisch - nun bekannt sind. Kinder wurden im 15 Minutentakt in den Schulhof eingeladen, um die Lernaufträge zu erklären. Bei manchen Kindern hatte der Vater das einzige Handy der Familie mit an seinem Arbeitsplatz, diese Kinder waren eben nur abends zu erreichen. Eltern holten das Lernpaket am Fenster des Konferenzzimmers ab. Es ist ja ein Glück, dass es viele Kanäle der Erreichbarkeit gibt. SMS, Signal, eMail, Schoolfox, der persönliche Hausbesuch (mit Maske und Zirkuselefant Dumbo), das „Materialfensterln“, Einzelgespräche am Privattelefon (Telefonkinder nach Zeitplan), das Telefonkind des Tages und noch Einiges mehr. Dass nahezu alles von Privatgeräten, Privatverträgen und Privatdatenvolumen gestemmt wurde (zu erwähnen wäre auch noch das Privatrad, es gab von Schoolerando© noch kein E-Dienstrad!) ist ebenso eine Randnotiz wert.
Positiv war auch der Gewinn des Einblicks in die privaten Lebensbedingungen der Kinder, wie sie spielen, wie sie arbeiten, welche Bedingungen für Lernen überhaupt bestehen. Die Sehnsucht nach Kontakt zu den Pädagog*innen war ebenso wohltuend. Ganz stolz berichten Kinder:„Ich telefoniere mit meiner Lehrer*in persönlich, nur ich“ (Zitat Sarah).
Wer hat weitere Beispiele? Wer hat weitere Evaluierungsergebnisse?
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Beginnen wir wieder über Bildung, Lernen und gerechte Chancen zu diskutieren, da Bildung UNSER Thema ist.
Freundschaft |
Jean Piaget meint: …die herkömmliche verbale oder rezeptive Methode, die ihren Kern in der Vermittlung des „Stoffs“ durch den Lehrer/die Lehrerin hat, bedingt wenig Lernertrag. Dieser ist deshalb gering, weil, wenn wir das Kind etwas lehren, es daran hindern, Lösungen selbständig zu finden“. Piaget kritisiert auch die sozialen Wirkungen eines solchen Unterrichts, der zu Konformismus und Gehorsam führt statt zu einer Kooperation, die von wechselseitigem Austausch und gegenseitiger Kontrolle gekennzeichnet ist – den wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung von Autonomie, im Leistungs- wie im Sozialverhalten.
Diese Zitate mögen über den provokativen Effekt hinausgehen und eventuell zu einer Reflexion der eigenen pädagogischen Maßnahmen vor, im und nach dem Lockdown einen kleinen 😊Beitrag leisten.
Hilbert Meyer: Zehn Merkmale guten Unterrichts Empirische Befunde und didaktische Ratschläge
Andreas Helmke: Was wissen wir über guten Unterricht?, in: Pädagogik, Jg. 58, H. 2/2006, S. 42–45.
Jean Piaget: Meine Theorien der geistigen Entwicklung, Hrg:Reinhard Fatke, 2016, Beltz |